Stadt Brück. Angesichts steigender Corona-Neuinfektionen hat die Brandenburger Landesregierung am 27. November neue Kontakt- und Verhaltensregeln beschlossen, die seit dem 1. Dezember gelten. Sie gelten für das gesamte Land Brandenburg.
Für das gesamte Land Brandenburg? Nein! In einen kleinen Ort im Süden des Landes genannt Brück möchte sich die überwiegende Mehrheit der Stadtverordneten nicht an die beschlossenen Regeln halten.
Die Fraktion der SPD stellte in der Stadtverordnetenversammlung am 10.12.2020 den Eilantrag, die Fachausschüsse sowie die Stadtverordnetenversammlungen nicht mehr in Präsenzform mit der persönlichen Teilnahme der Abgeordneten durchzuführen. Alternativ sollten die vorhandenen elektronischen Medien genutzt werden, um die Arbeit der Stadtverordnetenversammlung aufrecht zu erhalten und die Verwaltungstätigkeit zu unterstützen. Die Nutzung der elektronischen Medien hatte sich bei der Aufrechterhaltung der Arbeit der Stadtverordneten im Frühjahr und Sommer 2020 bewährt.
Ziel war es, die Gesundheit der Abgeordneten, der Mitarbeiter der Amtsverwaltung, die der Gäste der öffentlichen Versammlungen, deren Familien sowie das gesamte Umfeld zu schützen. Viele der Abgeordneten haben täglich viele berufliche Kontakte und sind über die Grenzen der Stadt Brück unterwegs. Sie nutzen oft überfüllte öffentliche Verkehrsmittel und es weiß keiner, ob er infiziert ist. 50% der positiv auf Coronas getesteten Menschen sind völlig frei von Symptomen und verbreiten das Virus völlig unerkannt weiter. In Brück leben über 2.300 Mitmenschen über 65 Jahre, sie gehören zur risikogefährdeten Gruppe.
Zudem sollten die Mitarbeiter der Amtsverwaltung nicht zusätzlichen Infektionsgefährdungen ausgesetzt werden und somit die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung mit den derzeit zusätzlichen Aufgaben zur Eindämmung der Pandemie entlastet werden. Der Amtsdirektor betonte vor der Abstimmung eindringlich, dass die Amtsverwaltung derzeit grenzwertig ausgelastet ist.
Wir möchten noch einmal betonen, es ging nicht um die Einstellung der Arbeit der Abgeordneten sondern um die Kontaktbeschränkungen der Abgeordneten und die Nutzung der bei allen vorhandenen Medien. Das es funktioniert, wurde wie schon erwähnt bewiesen!
Dieser Antrag beinhaltet nichts exotisches, er beinhaltet die persönliche Kontaktbeschränkung auf dem möglichst niedrigsten Niveau. Diese Kontaktbeschränkungen werden von allen Bürgern im Land Brandenburg geforderte. Der Vereinssport, die Kinder- und Jugendausbildung bei der Freiwilligen Feuerwehr, Karneval, Familienfeiern, Treff mit Freunden können nicht mehr durchgeführt werden. Diese Regelungen bereiten allen Familien Schmerzen. Wo ist aber die Vorbildfunktion der Stadtverordneten? Wie ist die Aussage des Bürgermeisters zu deuten:
„Solange das Gesundheitsamt nicht einschreitet, können wir uns weiter treffen!“
Ein Abgeordneter von Pro Brück sagt „Politische Mitwirkung ist ein hohes Gut und wir dürfen sie nicht einer Symbolwirkung opfern!“ oder eine weitere Aussage aus der Stadtverordnetenversammlung:
„Ich bin zwar risikogefährdet, sage aber ganz klar, dass ich keine zusätzliche Gefahr sehe auf Grund der geringen Infektionszahlen!“
Symbolpolitik, tagen bis der Arzt kommt? Was sagen Betroffene und Hinterbliebene zu diesen Aussagen? Wo ist die genannte Vorbildfunktion? Wo ist der Respekt vor den Betroffenen, Hinterbliebenen, der Verwaltung. Der Respekt vor den Arbeitgebern, die mit Hygienekonzepten und Homeoffice die Firmen am Leben halten, den hunderttausenden von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmern, den überlasteten Krankenpflegern usw.
Wir fordern von unseren Kindern Kontakteinschränkungen, und wir Abgeordnete treffen uns in großer Runde zu Sitzungen und verlängern diese noch bis 22.30 Uhr.
Sind Tagesordnungspunkte wie Sitzungstermine 2021, Errichtung einer E- Ladesäule am Bahnhof Baitz oder die Fortschreibung der Digitalisierung der Stadtverordneten so systemrelevant, dass sie die zwingende Anwesenheit der Abgeordneten erfordert? Oder sind das Themen die auch über Teams, Skype oder auch ganz einfach per E- Mail geklärt werden können? Die geforderte Öffentlichkeit kann auch über die Medien gewährleistet werden.
Traurig ist, im Rahmen der Tagesordnung beschließen die Stadtverordneten für sich selbst 500 € je Abgeordneten für Rechentechnik auszugeben, um die Arbeit zu digitalisieren. Beschließen aber wenige Tagesordnungspunkte später in der gleichen Sitzung, die Medien nicht nutzen. Wofür also? Zum Lesen von papierlosen Beschlussvorlagen reicht auch ein E- Book für 70 €.
Ich möchte noch einmal auf den Beschluss der Landesregierung vom Land Brandenburg zurück kommen. In diesem heißt es unter dem Punkt Beschränkungen gelten nicht: „… kommen die Ausübung beruflicher, dienstlicher oder der Umsetzung öffentlich-rechtlicher Aufgaben dienender ehrenamtlicher Tätigkeiten, bei denen ein Zusammenwirken mehrerer Personen zwingend erforderlich ist.“ Ist die persönliche Anwesenheit und das damit verbundene Gefährdungspotential bei solchen Tagesordnungspunkten wirklich zwingend erforderlich oder gibt es Alternativen?
Der Antrag wurde am 10.12.2020 in der Stadtverordnetenversammlung wie folgt abgelehnt:
Anwesend: 13
Dafür: 1
Dagegen: 0
Enthaltung: 2
Aus beruflichen Gründen konnte ich als Fraktionsvorsitzender der SPD nicht an der Sitzung teilnehmen. Im Fall meiner Teilnahme wären es zwei Stimmen für den Antrag gewesen.
Vorbildwirkung verpasst! Aber die Abstimmung war namentlich und jeder Wähler kann sich selbst ein Bild machen!
P.S. Wenn ich über Bürger, Mitarbeiter, Abgeordnete spreche meine ich selbstverständlich alle Geschlechter und möchte niemanden zurückstellen oder diskriminieren!
(Frank Schiffmann, Stadtverordneter der Stadt Brück, Fraktionsvorsitzender der SPD)
Inzwischen wurden die Maßnahmen der Kontaktbeschränkung durch den Bund und die Länder weiter verschärft!
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern schöne Weihnachten!